Das Festlegungsverfahren BK9-24/612 führt die jährliche Anpassung der Entgelte im Fernleitungsnetz fort und soll nur geringfügige Änderungen im Vergleich zur Vorjahresfestlegung "MARGIT 2025" beinhalten. Die wesentlichen Anpassungen betreffen aktualisierte Berechnungen der Abschläge für unterbrechbare Kapazitätsprodukte. Die Festlegung "MARGIT 2026" betrifft insbesondere die Entgelte für FNB für das Kalenderjahr 2026 und legt relevante Berechnungsfaktoren fest, die diese bei ihrer Entgeltbildung berücksichtigen müssen. Die Festlegung gilt für ein Jahr und ende am 31. Dezember 2026.
Der deutsch- sowie englischsprachige Beschlussentwurf soll auf der Homepage der BNetzA zur Konsultation veröffentlicht werden. Rechtlich verbindlich sei dann allein die deutschsprachige Fassung.
(a) Verfahrensdaten:
- Verfahrensbeginn: 29. Januar 2025
- Konsultationsfrist: 17. Februar 2025 (für FNB und alle Marktteilnehmer)
- Veröffentlichung: Amtsblatt der BNetzA Nr. 21/2024 aus Oktober 2024
(b) Wer ist betroffen?
- FNB: Diese müssen die festgelegten Berechnungsparameter in ihre Netzentgelte für 2026 integrieren.
- Industrieunternehmen und Gasversorger: Entgelte für Gastransport beeinflussen direkte und indirekte Energiekosten.
- LNG-Importeure: Mögliche Rabatte an Einspeisepunkten können wirtschaftliche Anreize zur Nutzung von LNG-Terminals schaffen.
Die Festlegung "MARGIT 2026" basiert auf dem europäischen Netzkodex für harmonisierte Fernleitungsentgeltstrukturen (NC TAR), der in der Verordnung (EU) 2017/460 geregelt ist. Dieser Kodex dient der einheitlichen und transparenten Berechnung der Netzentgelte im europäischen Gasfernleitungsnetz und stellt sicher, dass die Tarifstrukturen diskriminierungs-frei, kosteneffizient und marktgerecht gestaltet sind.
Gemäß Art. 28 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/460 ist die BNetzA verpflichtet, jährlich Festlegungen zu Multiplikatoren, Abschlägen und Rabatten auf die Reservepreise für Standardkapazitätsprodukte vorzunehmen. Diese Festlegungen werden durch die BK9 getroffen und betreffen die deutschen FNB sowie die buchbaren Kopplungspunkte (Grenzübergangs- und Marktgebietsübergangspunkte). Ergänzende Regelungen für innerdeutsche Buchungspunkte sind in der Festlegung BEATE 2.0 enthalten.
Höhe der Multiplikatoren
(a) Exkurs: Worum geht es?
Gas soll durch Deutschland transportiert werden. Dafür muss man eine „Platz“ im Gasnetz buchen – das nennt man Kapazitätsbuchung. Dabei gibt es verschiedene Buchungsarten:
- Jahreskapazitätsprodukte (langfristige Buchung über ein Jahr)
- Quartalskapazitätsprodukte
- Monatskapazitätsprodukte
- Tageskapazitätsprodukte
- Untertägige Kapazitätsprodukte (buchbar für nur wenige Stunden)
Je kürzer die Buchung, desto teurer wird sie. Warum? Weil die Netzbetreiber immer Kapazitäten bereithalten müssen, auch wenn sie nicht ständig genutzt werden. Das nennt man Leerstandskosten. Multiplikatoren sind Faktoren zur Preisberechnung für unterjährige Kapazitäten im Gasnetz. Sie bestimmen, wie viel mehr Netznutzer für kürzere Buchungszeiträume im Vergleich zu einer Jahreskapazität zahlen müssen.
(b) Entwurf
Die Entscheidung der BNetzA in Tenor Ziffer 2 des Festlegungsentwurfs zur Höhe der Multiplikatoren basiert auf Art 13 iV.m. Art. 28 Verordnung (EU) 2017/460, welche feste Bereiche für die Multiplikatoren vorgeben, innerhalb derer sie festgelegt werden müssen (Rn. 15 - 32). Die BNetzA möchte die Multiplikatoren innerhalb der erlaubten festlegen (Rn. 17). Dabei bewegt sie sich innerhalb der von Art. 13 Verordnung (EU) 2017/460 vorgegebenen Spannen für die verschiedenen Kapazitätstypen:
- Quartals-Standardkapazitätsprodukt: Art. 13 Abs. 1 lit. a) Verordnung (EU) 2017/460 erlaubt eine Multiplikator-Spanne von 1,0 bis 1,5. Im Entwurf der BNetzA wird ein Wert von 1,1 genannt.
- Monats- Standardkapazitätsprodukt: Zulässig ist eine Spanne von 1,0 bis 1,5. Der Entwurf sieht hierfür einen Multiplikator von 1,25 vor.
- Tageskapazität: Art. 13 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EU) 2017/460 erlaubt Werte zwischen 1,0 und 3,0. Die BNetzA plant eine Festlegung auf 1,4.
- Untertägige Kapazität: Hier beträgt die erlaubte Spanne im Grundsatz ebenfalls 1,0 bis 3,0. Der Entwurf der BNetzA legt den Multiplikator auf 2,0 fest.
Diese Werte sollen sicherstellen, dass langfristige Buchungen günstiger sind als kurzfristige, um eine effiziente Nutzung des Netzes zu gewährleisten (Rn. 25, 26).
Berechnung der Reservepreise bei Nicht-Jahres-Standardkapazitätsprodukten für verbindliche Kapazität
(a) Exkurs: Was bedeutet das?
Die BNetzA könnte für jeden Monat verschiedene Preise festlegen, je nachdem, wie stark das Gasnetz genutzt wird. In Monaten mit hoher Nachfrage (z. B. Winter) könnten die Preise höher sein. In Monaten mit geringerer Nachfrage (z. B. Sommer) könnten die Preise niedriger sein.
(b) Entwurf
Es besteht die Möglichkeit nach Art. 15 i.V.m. Art. 28 Abs. 1 lit. b Verordnung (EU) 2017/460, die einzelnen Monate mit unterschiedlichen saisonalen Faktoren zu belegen. Dies kann dazu genutzt werden, über das Kalenderjahr eine verstetigte Netznutzung (Buchung) zu erreichen und somit Leerstandskosten zu mindern. Von dieser Möglichkeit möchte die BNetzA keinen Gebrauch machen (Rn. 33). Daher kommen saisonale Faktoren bei der Berechnung der Reservepreise für Nicht-Jahres-Standardkapazitätsprodukte für verbindliche Kapazität nicht zur Anwendung. Die Berechnung der Reservepreise für Quartals-, Monats- und Tages-Standardkapazitätsprodukte soll demnach auf den Vorgaben aus Art. 14 Verordnung (EU) 2017/460 basieren (Rn. 34).
Abschlag gemäß Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/460
(a) Exkurs: Worum geht es?
Deutschland braucht Erdgas für Haushalte, Unternehmen und die Industrie. Dieses Gas kommt entweder über Pipelines oder als verflüssigtes Erdgas (LNG) mit Schiffen.
Damit das Gas durch das Netz fließen kann, müssen Unternehmen sogenannte Kapazitäten buchen – das sind „Plätze“ in den Gasleitungen.
Das Problem: LNG-Terminals sind teuer, und Gaslieferanten entscheiden kurzfristig, wohin sie ihr LNG liefern. Damit LNG-Gaslieferanten Deutschland bevorzugen, möchte die BNetzA einen Rabatt auf die Transportkosten geben.
(b) Entwurf
Die Verordnung (EU) 2017/460 regelt auch die Berechnung der Netzentgelte im Gasfernleitungsnetz. Besonders relevant ist hier Art. 9 Abs. 2, der unter bestimmten Bedingungen Ermäßigungen der Netzentgelte an Ein- und Ausspeisepunkten erlaubt, sofern dies "im Interesse einer höheren Versorgungssicherheit" liegt. Dies betrifft insbesondere zwei Gruppen von Infrastrukturen:
- Ein- und Ausspeisepunkte zur Beendigung der Isolation von Mitgliedstaaten: In Deutschland existieren aktuell keine solchen Infrastrukturen. Laut aktuellem Festlegungsentwurf (Tenor Ziffer 3) ist auch bis 2026 keine Inbetriebnahme entsprechender Projekte geplant (Rn. 35, 36). Die Konsultation wird gemäß Art. 28 Abs. 1 Verordnung (EU) 2017/460 jährlich durchgeführt, sodass eine zukünftige Einführung eines solchen Rabatts nicht ausgeschlossen ist.
- Ein- und Ausspeisepunkte aus LNG-Anlagen: Seit 2023 sind LNG-Terminals in Brunsbüttel, Lubmin und Wilhelmshaven in Betrieb (Rn. 38). Zudem befinden sich weitere LNG-Regasifizierungsanlagen in Planung. Diese Maßnahmen sollen die Versorgungssicherheit in Deutschland langfristig stabilisieren. Die BNetzA erkennt an, dass die Einbindung von LNG-Terminals grundsätzlich zur Versorgungssicherheit beiträgt, jedoch mit wirtschaftlichen und regulatorischen Abwägungen verbunden ist (Rn. 39 ff.).
Vorteile eines LNG-Rabatts: Mehr LNG-Terminals bedeuten mehr Einspeisepunkte und geringere Abhängigkeit von einzelnen Gasquellen (Rn. 40). LNG-Terminals erleichtern die rechtzeitige Befüllung der Speicher vor dem Winter (Rn. 41). Ein Rabatt kann die Nutzung von LNG-Terminals attraktiver machen und somit zur langfristigen Stabilität der Versorgung beitragen (Rn. 42).
Mögliche Nachteile eines LNG-Rabatts: Ein Rabatt könnte dazu führen, dass die Kosten auf andere Buchungspunkte im Gasnetz umgelegt werden (Rn. 43). Die zusätzlichen Kosten für LNG-Anbindungsleitungen verbleiben gemäß § 39f GasNZV zu 90 % bei den FNB (Rn. 46).
Die BNetzA plant einen Abschlag von 40 % auf das Standardkapazitätsentgelt für LNG-Einspeisepunkte (Tenor Ziffer 4). Dieser Rabatt soll für Jahres- und Quartals-Standardkapazitätsprodukte gelten, für Monats-, Tages- und untertägige Kapazitätsprodukte aber nicht. Die BNetzA begründet es wie folgt: LNG-Lieferanten könnten spekulativ auf höhere Marktpreise warten und erst dann liefern. Dies könnte die Gasversorgung instabil machen. Die Regelung fördert daher langfristige Buchungen und damit eine verlässliche Versorgung (Rn. 37 ff.).
Höhe der Abschläge für Standardkapazitätsprodukte für unterbrechbare Kapazität
(a) Exkurs: Worum geht es?
Wenn Unternehmen Gas durch Deutschland transportieren wollen, müssen sie Kapazitäten im Gasnetz buchen. Es gibt zwei Arten von Kapazitäten:
- Feste Kapazitäten: Diese garantieren den Transport, egal was passiert.
- Unterbrechbare Kapazitäten: Diese können gestrichen werden, wenn das Netz voll ist.
Da unterbrechbare Kapazitäten nicht so sicher sind, sind sie günstiger. Der Preisnachlass wird als „Abschlag“ bezeichnet. Die BNetzA legt fest, wie hoch dieser Abschlag ist, damit er fair bleibt.
(b) Entwurf
Die BNetzA beabsichtigt, die Berechnung der Reservepreise für unterbrechbare Kapazitätsprodukte gemäß Tenor Ziffer 5 auf Grundlage von Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/460 vorzunehmen (Rn. 59 ff.). Dieser Artikel legt Methoden zur Bestimmung der Preisabschläge für unterbrechbare Kapazitäten fest und erlaubt zwei Ansätze:
- Ex-ante-Methode: Der Abschlag auf den Reservepreis wird bereits vor der Buchung festgelegt und basiert auf einer prognostizierten Unterbrechungswahrscheinlichkeit. Dies bietet den Marktteilnehmern eine höhere Planungssicherheit.
- Ex-post-Methode: Der Abschlag wird nachträglich berechnet, abhängig davon, ob es tatsächlich zu einer Unterbrechung gekommen ist.
Die BNetzA bevorzugt ausdrücklich die Ex-ante-Methode (Rn. 61). Sie möchte die Abschläge für jedes Standardkapazitätsprodukt individuell bestimmen und an allen relevanten Kopplungspunkten einheitlich anwenden. Dadurch bleibt der Reservepreis für unterbrechbare Kapazitäten kalkulierbar und sorgt für eine klare Kostenstruktur für Netznutzer.